Was kann Apothekenmitarbeiter psychisch belasten?

Manchmal werden wir mit sehr traurigen Geschichten konfrontiert und müssen uns stark zusammenreißen, um nicht vor dem Kunden in Tränen auszubrechen. Das macht unseren Beruf aus, wir genießen das Vertrauen der Kunden, wir sind für sie da und nehmen uns die Zeit. Wir sind empathisch. Wir sind vor Ort. Auch nachts und am Wochenende. Eine Apotheke im engen Umkreis hält die Stellung: 24/7. Das ist das, was uns ausmacht und von der Versandapotheke unterscheidet. Einige Faktoren wirken sich jedoch auf die Apothekenmitarbeiter belastend aus. 

In Abhängigkeit vom Standort der Apotheke können die psychischen Belastungen unterschiedlich ausgeprägt sein: Mitarbeiter einer Apotheke, die sich in der Nähe einer Kinderarztpraxis befindet, können mit anderen Belastungen und Herausforderungen konfrontiert werden, als Mitarbeiter einer Krankenhausapotheke.

„Man darf alleine nichts entscheiden!“

Eine gezielte Übertragung von Verantwortung für bestimmte Aufgabenbereiche auf den jeweiligen Mitarbeiter kann als Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung gewertet werden und die Effizienz bei der Aufgabenerfüllung positiv beeinflussen. Einige Befugnisse von Apothekenmitarbeitern sind jedoch in der jeweiligen Ausbildungs- bzw. Approbationsordnung vorgeschrieben und können nicht beliebig übertragen werden. Ein erweiterter und den Qualifikationen entsprechender Handlungsspielraum wirkt sich positiv auf das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter aus – Mitarbeiter, die selbst über die Art und Weise der Ausführung entscheiden dürfen, statt nach strikten Anweisungen arbeiten zu müssen, erleben ihre Arbeit selten als belastend. Die wahrgenommene Selbstbestimmung kann die Motivation der Mitarbeiter, sich zu engagieren, erhöhen und folglich zur erheblichen Leistungssteigerung des gesamten Teams führen. Der Handlungsspielraum darf zwar bei der Erledigung der pharmazeutischen Tätigkeiten oder bei der Abgabe der Arzneimittel nicht beliebig erweitert werden, dennoch gibt es einige Möglichkeiten von den strengen Vorgaben und Anweisungen im Apothekenalltag Abstand zu nehmen. Ein Mitarbeiter, der sowohl bei der Planung eines Aktionstages, als auch bei dem Aktionstag selbst seine eignen Ideen und Vorschläge verwirklichen darf, wird den Aktionstag eher als Herausforderung, denn als Belastung empfinden. Vorausgesetzt seine Ziele stimmen mit den betrieblichen Zielen überein.

„Man hat viel zu viele Aufgaben!“

Nach § 3 ApBetrO muss das pharmazeutische Personal in ausreichender Zahl vorhanden sein, um den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke zu gewährleisten. Reichen die zeitlichen und die personellen Ressourcen nicht aus, um die anfallende Arbeit zu erledigen, werden die übertragenen Aufgaben entweder fehlerhaft oder gar nicht erledigt. Nicht nur die psychische Gesundheit der Mitarbeiter, sondern auch die Kundenzufriedenheit und das Ansehen der Apotheke können dadurch gefährdet werden. Insbesondere in den Stoßzeiten, Ferienzeiten oder in Krankheitsfällen geraten häufig die Mitarbeiter unter Zeitdruck und müssen eventuell Überstunden leisten. Ein Pool an Vertretungskräften, auf die der Apothekeninhaber zurückgreifen kann, entlastet und unterstützt in solchen hektischen Zeiten. Inzwischen bieten viele Apothekerkammern Stellenbörsen an, in denen sowohl Stellenangebote als auch Stellengesuche für Vertretungskräfte gesondert aufgelistet sind. Warten Sie nicht auf den kritischen Zeitpunkt, sondern schauen Sie sich rechtzeitig nach Aushilfskräften um, die im Notfall kontaktiert werden können.

„Nach außen freundlich und innen kochen die Emotionen hoch!“

Gerade Angehörige der sozialen Berufe leisten die sog. Emotionsarbeit, die als starker Belastungsfaktor angesehen wird. Emotionsarbeit wird als Management der eigenen Emotionen verstanden. Für einen professionellen Auftritt dürfen die gefühlten Emotionen wie z.B. Ärger, Trauer oder  Abneigung gegenüber dem Kunden nicht gezeigt werden, stattdessen wird Empathie und Verständnis für das Problem des Kunden abverlangt. Die auf diese Weise erlebte Diskrepanz zwischen den tatsächlich erlebten und den gezeigten Emotionen, wirkt sich bei schlechtem Betriebsklima und nicht ausgetragenen Konflikten im Team zusätzlich negativ auf das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter aus. Abhilfe schafft eine wahrgenommene kollegiale Unterstützung und die Möglichkeit über die Emotionen offen und konstruktiv im Team sprechen zu können. Da die Emotionsarbeit als kundenorientierter Aspekt betrachtet wird und deshalb nicht eliminiert werden kann, sollten Mitarbeiter im Rahmen der Stresspräventionstrainings für Apothekenmitarbeiter verschiedene Techniken zum besseren Umgang mit dieser Belastung erlernen.

„Man wird dauerhaft unterbrochen!“

Unterbrechungen bei der Arbeit sind meistens mit einer zusätzlichen Aufgabe verbunden, die nicht nur die Aufmerksamkeit ablenkt, sondern auch weitere Entscheidungen erfordert. Häufig werden Apothekenmitarbeiter durch angehende Telefonate oder durch Nachfragen und die daraus folgende Unterstützung eines (neuen) Kollegen während der Arbeit unterbrochen. Insbesondere bei der Abgabe oder der Herstellung der Arzneimittel können Unterbrechungen erhebliche negative Folgen für den Kunden und daraus erfolgende rechtliche Folgen für die Apotheke mit sich tragen. Arbeitsorganisatorische Maßnahmen z.B. Festlegung des Telefondienstes, ein (rotierender) Wechsel im Handverkauf oder Ernennung eines Mentors zur Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters sind einfach zu implementierende Maßnahmen, die aber eine störungsarme Arbeit ermöglichen.

Psychisch belastete Mitarbeiter sind eine schlechte Werbung für die Apotheke

Emotionen sind bekanntlich ansteckend. Unzufriedene, unmotivierte und psychisch belastete Mitarbeiter können ihre negativen Einstellungen nicht nur auf die Mitarbeiter, sondern auch auf die Kunden ausstrahlen. Die Implementierung der gesundheitsförderlichen Maßnahmen stellt deshalb eine Win-Win-Situation dar: Die Maßnahmen verbessern die psychische Gesundheit und wirken direkt den Fehlzeiten, organisatorischen Problemen und Kündigungsabsichten entgegen. Indirekt verbessern sie das Image der Apotheke und geben den notwendigen Raum für Kundenorientierung frei.

Vollständiger Fachbeitrag inkl. Quellenangaben:

„Psychische Belastung in der Apotheke (Teil 2): Handlungsmaßnahmen bei der Gefährdung“. AWA-Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker, 20/2017, S. 12-13. www.dav-awa.de