Betriebliches Gesundheitsmanagement im Apotheken – und Gesundheitswesen

Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) als eine Leistung für die Mitarbeiter hat sich in der Apothekenwelt leider noch nicht wirklich etabliert. Viele Inhaber sehen das BGM als einen Kostenpunkt und als eine Herausforderung, auf die man in der stressigen und unsicheren Zeit lieber verzichten sollte. Dabei ist BGM alles andere als ein Modeaccessoire der New-Work-Welle oder ein überflüssiges Zusatzpaket für die Mitarbeiter: BGM ist eine wichtige Voraussetzung zur Erschaffung und Gestaltung einer gesundheitsgerechten Arbeitswelt.

Die Folgen des Personalmangels in der Apothekenbranche zeigen sich jeden Tag aufs Neue. Überstunden werden angeordnet und die Arbeitstage immer länger. Das Team schrumpft durch Krankmeldungen und Kündigungen, dennoch muss die gleiche Arbeit ebenso hochprofessionell wie korrekt erledigt werden. Zusätzlich ziehen die Klagen der Chefs und die Medienberichte über die wirtschaftlichen Apothekenprobleme die Stimmung im Team herunter. Und auch der Nachwuchs bei den Pharmazeutisch-technischen Assistenten fehlt: Die Ausbildung zum PTA scheint derzeit nicht attraktiv zu sein, denn sowohl die Aufstiegsmöglichkeiten als auch die Anstellungsalternativen sind nicht vielfältig. Und nicht zuletzt ist auch die wenig attraktive Vergütung einer der Gründe, warum sich junge Menschen für ein Studium oder eine andere Ausbildung entscheiden.

Gesunder Arbeitsplatz in der Gesundheitsbranche?

Moderne betriebswirtschaftliche Konzepte betrachten die Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktor, sondern vor allem als bedeutsamen Erfolgsfaktor. Der Verlust eines guten Mitarbeiters kann für den Wettbewerb eines Unternehmens relevant sein. Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeiter können daher einen Vorsprung im Wettbewerb bedeuten. Die Gesundheit der Mitarbeiter ist also ein kostbares Gut, das es zu schützen gilt. Und sowohl Arbeits- und Organisationspsychologen als auch Betriebswissenschaftler sind der Meinung, dass die Arbeitnehmer für ein Unternehmen wertschöpfend sind – und dass die Gesundheit der Beschäftigten einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität der angebotenen Leistung hat. Die Förderung der Gesundheit gewinnt deshalb auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels zunehmend an Bedeutung.

Paradoxerweise gibt es gerade in der Gesundheitsbranche einen großen Handlungsbedarf hinsichtlich der Gestaltung einer gesundheitsförderlichen Arbeitswelt, wie viele wissenschaftlichen Studien bestätigen. Eingeschränkter Handlungsspielraum, Emotionsarbeit, Unterbrechungen, mentaler Stress, hohe Anforderungen, Zeitdruck, unflexible Arbeitszeiten und eine schlechte Bezahlung belasten viele Mitarbeiter des Gesundheitswesens.

Gesundheitsmanagement: Baustein des Qualitätsmanagements

Die Qualität der Leistung muss vor dem Hintergrund des Wettbewerbs und der Patientensicherheit auf einem hohen und bestmöglichen Niveau bleiben: Es gibt Aufgabenbereiche, in denen ein Fehler das Leben des Patienten bzw. des Kunden kosten könnte. Die Sicherung der Qualität der Leistungen, die in der Apotheke angeboten werden, ist deshalb in der Apothekenbetriebsordung verankert und somit zur Pflicht und zum Alltag geworden. Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) sollte allerdings als ein unersetzlicher Grundbaustein des Qualitätsmanagements betrachtet werden – denn nur gesunde Mitarbeiter sind auf Dauer in der Lage, die geforderte Qualität zu leisten. Das BGM betrifft unmittelbar die Gesundheit der Mitarbeiter, mittelbar allerdings auch die Qualität der Arbeit, die der Mitarbeiter verrichtet. Wer als Arbeitgeber nicht nur attraktiv und zukunftsorientiert ist, sondern auch pflichtbewusst handelt, kümmert sich um das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter. Denn nur gesunde Mitarbeiter können eine hohe Leistung zur Zufriedenheit und Sicherheit der Kunden erbringen.

Früher hat sich der Arbeitsschutz in Apotheken auf die Reduktion der körperlichen Belastungen oder Gefährdungen durch Stoffe reduziert. Heute ist Konsens, dass die Anforderungen im Arbeitsleben nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit gefährden können.

 

Das BGM ist also eine systematische Strategie, die alle gesetzlichen Vorgaben nahtlos, nachhaltig und langfristig mit dem beruflichen Alltag verknüpft. Ziel ist es, die beruflichen Herausforderungen an die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeiter zu erkennen, die Belastungen zu minimieren und die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten bzw. zu verbessern.

Wie hoch ist die psychische Belastung bei Apothekenmitarbeitern?

Bei Pharmazeutisch-technischen Assistenten fallen 13,4 % der Arbeitsunfähigkeitstage auf die psychischen Beschwerden zurück und somit sind die Angehörigen des Berufsgruppe dem Durchschnitt aller Branchen überlegen (11,3 %) [1]. Das verwundert wenig, da gerade Angehörige der sozialen Berufe sind stark emotional belastet: Man spricht von Emotionsarbeit. Emotionsarbeit wird als Management der eigenen Emotionen verstanden: Für einen professionellen Auftritt dürfen die gefühlten Emotionen, wie z.B. Wut, Ärger oder gar Abneigung gegenüber dem Kunden nicht gezeigt werden. Stattdessen wird Empathie und Verständnis für das Problem des Kunden abverlangt. Die auf diese Weise erlebte Diskrepanz zwischen den tatsächlich erlebten und den gezeigten Emotionen wirkt sich bei schlechtem Betriebsklima und nicht ausgetragenen Konflikten im Team zusätzlich negativ auf das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter aus.

Eine Abhilfe kann eine wahrgenommene kollegiale Unterstützung schaffen und die Möglichkeit, über die Emotionen offen und konstruktiv im Team sprechen zu können. Da die Emotionsarbeit als Aspekt der Kundenorientierung betrachtet wird und deshalb nicht eliminiert werden kann, sollten Apothekenmitarbeiter im Rahmen von Stresspräventionstrainings und anderen Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements verschiedene Techniken zum besseren Umgang mit dieser Belastung erlernen. Es liegt nahe, dass insbesondere der psychische Aspekt der Belastung bei Apothekenmitarbeitern, aber auch bei Angehörigen anderer Gesundheitsberufe langfristig angegangen werden muss.

Vorgesetzter als Vorbild – Gesunde Führung

Vorgesetzte sollen durch das eigene Verhalten eine Vorbildfunktion einnehmen. Der Umgang mit eigenem Stress, der Führungsstil, die Art, wie sie ihre Mitarbeiter motivieren und wertschätzen, sind nur einige Aspekte, die einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsklima des Unternehmens haben. Ein schlechtes Arbeitsklima wirkt sich nicht nur negativ auf die Gesundheit der Mitarbeiter aus, sondern es ist auch nicht effizient. Ein gesundes Arbeitsklima kann durch ungezwungene Unternehmungen mit dem gesamten Team außerhalb der Arbeit durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse gefördert werden.

Doch das BGM ist weder eine Erlebnis- oder Teambildungsveranstaltung mit hohem Spaßfaktor, noch ein kurzfristiges Projekt. Ein zeitgemäßes BGM fokussiert sich primär auf die langfristige Organisationsentwicklung. Dazu gehören verhaltenspräventive Maßnahmen, wie z.B. arbeitspsychologische Beratungsangebote, ein Anti-Stress-Training, eine Rückenschule und eine ergonomische Arbeitsplatzausstattung, Personalentwicklung aber vor allem auch ein gesundheitsförderlicher Führungsstil.

Psychische Gesundheit im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements kann nur durch Wertschätzung, Fairness und Anerkennung des Teams gefördert werden. Zuverlässigkeit, Humor und ein freundliches Auftreten allein machen keine gesunde Führung aus, sondern sollten im Umgang mit Menschen selbstverständlich sein. Kann sich ein Mitarbeiter mit seinen Ideen nicht beteiligen, wird er dauernd verunsichert, korrigiert und kann sich nicht am Arbeitsplatz entwickeln, wächst der psychische Druck enorm. In solchen Fällen hilft auch ein „goldener Palast“ nicht, auch kein Arbeitsplatz mit modernster Ausstattung und besten Reputationen. In der Regel verliert das Unternehmen den Mitarbeiter: Einige kündigen innerlich und leisten den Dienst nach Vorschrift, andere verlassen das Unternehmen für immer. Doch auch die Art, wie der Vorgesetzter mit den Mitarbeitern umgeht, wenn sie kündigen, offenbart nicht nur seine Führungsqualitäten und seine menschlichen Züge, sondern auch die langfristige Attraktivität des Arbeitsplatzes. Deshalb ist sowohl das Einarbeiten (Onboarding) als auch der Abschied (Offboarding) ein Aspekt der fairen und gesunden Führung.

Prävention vor Rehabilitation

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist komplex, aber wesentlich, um Apotheken, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Arztpraxen trotz Fachkräftemangels zukunftsfähig machen zu können. Bereits in der Corona-Krise haben wir hautnah erfahren, wie relevant sämtliche Gesundheitsberufe sind. Jeder einzelne Mitarbeiter ist nicht nur ein Glied in der Versorgungskette, sondern ein bedeutsamer Dienstleister zum Schutz der öffentlichen Gesundheit. Und auch wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, wird der Bedarf an Pflege und medizinischer Betreuung in Zukunft durch den demografischen Wandel weiter zunehmen. Es ist also an der Zeit, die Gesundheit der Mitarbeiter im Gesundheitsdienst soweit es möglich ist, zu schützen, denn die Kosten, der Aufwand und der ungewisse Erfolg, um die Gesundheit wiederherzustellen, liegen nicht im Verhältnis zu den Kosten der Prävention.

[1] Badura, B., Ducki, A., Schröder, H. Klose, J., Meyer, M. (2019): Fehlzeiten-Report 2019. Digitalisierung – gesundes Arbeiten ermöglichen. Springer Verlag.