Gleichberechtigung: Ist die „Männergrippe“ ein unfairer Mythos?

Es gibt zwei Sorten Männer! Zwar dürfte ich als Fast-Psychologin (oder die Bachelorette – wie meine liebe Kollegin mich scherzhaft nennt) diese schmale Typisierung gar nicht vornehmen, denn das fällt definitiv unter Küchenpsycholgie, aber heute koche ich mal psychologisch. Diese leichte Kost muss auch mal nach so viel Wissenschaft sein.

Es soll Männer geben, die die Männergrippe ganz schlimm trifft. Und es gibt welche, für die der Begriff Erkrankung nur mit einem stationären Krankenhaufsaufenthalt in Verbindung gebracht werden darf. „Krank sind Leute im Krankenhaus!“ – ist die Antwort auf die Frage, ob Sir etwa krank sei. Derselbe weiß auch nicht mal, dass der „gelbe Schein“ in der Wirklichkeit nicht mehr gelb ist. In meinem Umfeld treffe ich eigentlich nur die zweite Sorte Männer an. Es ist nicht immer entspannend, es erinnert nämlich bisweilen an ein zahnendes Baby: Eigentlich hat das Baby gar nichts, quengelt aber trotzdem.

Auf der Suche nach Evidenz 

Im Zuge meiner Abschlussarbeit an der Universität habe ich mich näher mit Statistik der Erkrankungen und Fehlzeiten beschäftigt. Man sagt ja, Männer wären wehleidig und wir Frauen ganz stark und wesentlich belasteter durch Job & Familie, als Männer. Soweit so gut. Das Kompliment nehme ich gerne an mich, denn schließlich bin ich auch eine Frau. Also wollte ich mal darüber ein ganzes Kapitel in meiner Arbeit schreiben und mal mit Zahlen beweisen, dass es wirklich so ist: Frauenpower. Nun begab ich mich auf die Suche: Nach Zahlen und nach Evidenz.

Und ich fand heraus…

…, dass Frauen von mehr Befindensstörungen, Stress und körperlichen Beschwerden berichten als Männer, dennoch aber länger als Männer leben.

…, dass der selbstberichtete schlechte Gesundheitszustand bei Frauen, nicht mit den objektiven Gesundheitsdaten (ihren Blutparameter, Vitalfunktionen etc). übereinstimmt („Neigung zur Besorgnis und Klagsamkeit“)

…, dass sich Frauen wesentlich häufiger krankmelden als Männer, obwohl sie wesentlich häufiger in Teilzeit beschäftigt sind als Männer.

…, dass Frauen, die ihre Arbeitszeiten erhöht haben, nach drei Jahren weniger Symptome einer Depression zeigten, als Frauen, die in derselben Zeit ihre Arbeitszeiten reduziert haben.

…, dass nicht berufstätige Frauen ein höheres Risiko tragen früher zu sterben als solche die einem Beruf nachgehen.

…, dass die Anforderungen aus verschiedenen Lebensbereichen nicht zwangsläufig mit negativen Belastungen einhergehen, sondern sich sogar gegenseitig positiv beeinflussen und somit erfüllend wirken können („Bereicherungshypothese“).

…, dass die Anzahl der Männer, die ein akuter Herzinfarkt (Myokardinfarkt) trifft, doppelt so hoch ist wie die der Frauen.

…, dass Frauen, die „das kleine Familienunternehmen“ erfolgreich führen, dort das Bedürfnis nach weitem Handlungsspielraum, der wahrgenommenen Kontrolle, der Vollständigkeit der Aufgaben und der Anerkennung befriedigen können und den Job als einen weiteren Ausgleich sehen, und nicht als eine lästige Pflicht.

und und und… [*]

Nun müsste ich die Statistik tricksen, um in meiner Arbeit auf das Ergebnis zu kommen, dass Männer die „Männergrippe“ schlimmer trifft und nur wir Frauen alleine die Stärke verkörpern. 

Aber ich trickse nicht und kehre nichts, was nicht zu meinen Hypothesen passt, unter den Teppich, denn das wäre „off Science“!

Auch was die Gleichberechtigung angeht, haben Männer schlechte Karten

Wir Mütter sind meistens live dabei, wenn der erste Zahn durchbricht, wenn unsere Kinder das erste Mal „Mama“ sagen, wir dürfen sie trösten, bei Tanzstunden zuschauen, den Schlagzeug- und Gitarrenunterricht miterleben, uns als erste über Erfolge unserer Kinder freuen. Wir sind in den meisten Fällen die erste Bezugsperson für unsere Kinder. Wissen wir eigentlich, wie häufig wir dafür von Männern beneidet werden? Wie gern sie unseren Job machen würden? „Väter im Erziehungsurlaub“ werden immer noch als ein Sonderfall in der Spielgruppe angeschaut, denn eigentlich ist es ein „Frauentreff“. Und: In welche Umkleideräume im Schwimmbad dürfen Väter mit kleinen Töchtern gehen?

Und auch im Alltag erwarten wir mehr Verständnis: Vor den Tagen, nach den Tagen und zwischen den Tagen – wir können nichts dafür, es sind die Hormone. Als Schwangere werden wir Frauen in die Watte gepackt und auch postpartal genießen wir den Mutterschutz. Und auch das Stillen in der Öffentlichkeit gehört zum normalen Bild. Es gibt zahlreiche Ministerien: Für Arbeit und Soziales, Gesundheit und Forschung, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Findet man für Männer kein adäquates (?).

Pharmazeutisch-technischer Alltagsheld (m/w/d)

Neulich als ich zur Arbeit kam, wartete schon mein empörter Kollege auf meine Meinung: „Tatiana, hast du die Tasse schon gesehen??!!“ Es handelte sich um eine Tasse, die wir als ein Werbegeschenk von dem Hersteller XYZ bekommen haben. Auf der Tasse steht: „PTA – Pharmazeutisch-technische Alltagsheldin“. Nichts mit m/w/d.  Der Kollege weiß, wie es bei mir um Fairness und Gendergerechtigkeit steht, ich bin ja Sternzeichen Waage – gerecht, empathisch und fair. Und ja, ich weiß, Strenzeichendeutung ist Küchenpsychologie pur, aber heute wird mein Gericht damit noch zusätzlich gewürzt! Ich kann nichts für die Tasse: Ihr männliche PTAs seid auch die Alltagshelden!

Mehr Gerechtigkeit, bitte!

Liebe Frauen, wir können hin, wohin wir nur wollen, wir müssen nur selbst wissen, was wir eigentlich wollen…denn häufig sind es gerade die Männer, die im beruflichen Kontext nicht mit uns konkurrieren, sondern uns sehr freundlich die berufliche Tür aufhalten! 

Danke dafür!

[*] Quellenangaben zu allen erwähnten Befunden gebe ich sehr gerne auf persönliche Nachfrage per E-Mail an.