Psychische Belastung: Emotionsarbeit, Teamkonflikte, Unterbrechungen

Während positive Interaktionen mit Kollegen und Vorgesetzten eine Ressource darstellen, sind schlechte Beziehungen im Team eine der Hauptbelastungen im Arbeitskontext. Eine fehlende soziale Unterstützung, Generalistenanspruch, Emotionsarbeit, dauerhafte Unterbrechungen, Mobbing und Ausgrenzung können eine psychische Belastung, Fehler und Fehlzeiten am Arbeitsplatz verursachen, sowie zu einer Arbeitsunfähigkeit, Depression und Burn-Out führen.

Wie wichtig sind Kollegen?

Sozialer Austausch, Interaktion und Kooperation am Arbeitsplatz sind Merkmale der gesundheitsförderlichen Arbeit – und für Beschäftigte ein relevanter Bestandteil ihres Arbeitsalltags. Positiv erlebte soziale Beziehungen am Arbeitsplatz können das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und sozialer Akzeptanz befriedigen. Die Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten ist Ausdruck einer verständnisvollen und mitfühlenden Unternehmenskultur. Sie kann eine Pufferwirkung gegenüber Stressoren ausüben, so dass diese weniger belastend wahrgenommen werden.

Dabei wird die Unterstützung von Vorgesetzten eher durch professionelles Entgegenkommen und instrumentelle Unterstützung geleistet, die von Kollegen dagegen durch freundliches Miteinander und persönliches Interesse.

Ostrazismus stellt eine gesonderte Form der sozialen Isolierung dar: Der betroffene Mitarbeiter merkt durch Gespräche, die mit Absicht in seiner Gegenwart geführt werden, dass er vom Team ausgegrenzt wird (dazu bald mehr in einem gesonderten Beitrag).

Emotionsarbeit

Angestellte, die im häufigen Kunden- und Patientenkontakt stehen, leisten sogenannte Emotionsarbeit. Sie sollen Kunden freundlich und zuvorkommend bedienen, unabhängig davon, wie ihre eigene gefühlsmäßige Verfassung aussieht. Je stärker sich der eigene emotionale Ausdruck vom tatsächlichen Erleben unterscheidet, desto größer wird das Risiko, dass sich negative Folgen wie emotionale Erschöpfung und schlechtes körperliches Befinden einstellen. Dem beugen ein gutes Teamklima und die verständnisvolle Unterstützung von Kollegen und Leitung vor. Bei ungeklärten Konflikten im Team fällt es Mitarbeitern dagegen schwer, die eigenen negativen Emotionen auszublenden und sich dem Patienten freundlich zuzuwenden. 

Störungen und Unterbrechungen

Dauerhafte Unterbrechungen und Störungen werden häufig dem Multitasking gleichgestellt. Multitasking stellt jedoch das dauerhafte Switchen zwischen mehreren Aufgaben dar.

Unterbrechungen der Arbeit sind meist mit einer zusätzlichen Aufgabe verbunden, die nicht nur die Aufmerksamkeit ablenkt, sondern auch noch andere Entscheidungen erfordert. Deshalb sind sie mit einem hohen Fehlerpotential verbunden.

Der Zusammenhang zwischen Arbeitsunterbrechungen und Medikationsfehlern wie der Abgabe eines falschen Arzneimittels wird in vielen Studien aufgegriffen. Mit Blick auf die hohe Zahl von Krankenhauseinweisungen, die durch Medikationsfehler verursacht werden, sollte dieses Risiko und der Umgang mit Unterbrechungen im Apothekenteam kritisch betrachtet werden. Dazu bieten sich zum Beispiel Teambesprechungen an, auf die sich alle Beteiligten mit Beispielen und Lösungsvorschlägen vorbereiten können.

Tätigkeitsspielraum

Das selbstständige Planen und Einteilen der Arbeit, aber auch der Pause, kann eine Ressource in der Arbeitswelt darstellen. Der Aufenthaltsort in der Pause kann der Mitarbeiter frei bestimmen. „Pausenzeiten“, die auf Anweisung der Leitung in der Apotheke verbracht werden müssen, gelten demnach als Arbeitszeit.

Ähnlich positiv wird der Faktor der „Vollständigkeit“ betrachtet: Eine Tätigkeit gilt als vollständig, wenn sie sowohl vorbereitende, ausführende und kontrollierende Aspekte beinhaltet und vom Beschäftigten selbst als sinnvoll erlebt wird. Demgegenüber wirkt sich eine sehr detailliert vorgeschriebene Aufgabendurchführung negativ auf die psychische Gesundheit aus.

Ein Beispiel zum Aspekt „Vollständigkeit“ aus dem Apothekenbereich: Mitarbeiter, die die Möglichkeit haben, Kundenaktionen von Beginn an zu planen, mitzugestalten und im Anschluss die Ergebnisse mitauszuwerten, sind motivierter als Angestellte, die lediglich die Anweisung bekommen, an den Aktionstagen dabei zu sein und Produkte zu verkaufen.

Aufgabenbereiche

Nach § 3 ApBetrO darf das Personal nur entsprechend seiner Ausbildung und seinen Kenntnissen eingesetzt werden. Eine beliebige Ausweitung der Aufgabenbereiche ist nicht nur aus rechtlicher Perspektive kritisch, sondern kann den betroffenen Mitarbeiter auch überfordern. Nur wenn die erforderlichen (Fach-)Kenntnisse bereits vorhanden sind bzw. durch Fort- oder Weiterbildung im Vorfeld geschaffen werden, kann eine Erweiterung von Tätigkeits- und Handlungsspielräumen gesundheitsförderlich sein.

Ein Beispiel aus der Apothekenpraxis: Eine PTA, die als zusätzliche Aufgabe die Überprüfung der Rezepturplausibilität übernehmen muss, wird diesen Auftrag als psychische Belastung empfinden. Denn sie verfügt weder über die Qualifikation noch über die notwendige Befugnis nach § 7 ApBetrO. Auch andere Tätigkeiten, wie die Behebung von Störungen am PC o.ä. kann eine PTA überfordern.

BGM ist eine Investition zum Schutz der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter

Erkrankungen und die damit verbundenen Fehlzeiten und Akquise neuer Mitarbeiter  verursachen wesentlich mehr Kosten. 

Wenn in Unternehmen betriebliche Gestaltungsmaßnahmen entwickelt werden, sind im optimalen Fall neben Führungskräften und Beschäftigten auch Fachkräfte aus dem Bereich der Arbeitssicherheit und des (psychischen) Gesundheitsschutzes beteiligt. In Kleinbetrieben wie Apotheken gehören solche Fachkräfte jedoch in der Regel nicht zum Personal. Im Gegensatz zu großen Betrieben gehören professionelle Fachkräfte, sei es auf dem Gebiet Personal – oder Gesundheitsmanagement, nicht zum Apothekenteam. 

Expertise ist relevant für die Nachhaltigkeit der Maßnahmen 

Der Prozess einer gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeitsbedingungen sowie die Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit sollte jedoch ausschließlich durch Experten erfolgen.
BGM ist eine Investition in die Gesundheit der Mitarbeiter. Maßnahmen zur Etablierung des betrieblichen Gesundheitsmanagements kosten entsprechend Geld: Expertise, Interventionen, Begleitung, Monitoring der Maßnahmen und deren Evaluation, können nicht nebenbei erfolgen. Hier sind die Apothekeninhaber dazu angefordert Kosten für die Erschaffung der gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen mit im Budget einzukalkulieren. Andernfalls sparen Betriebe am falschen Ende: An ihren Mitarbeitern.

Mein Beitrag „Warum Arbeitsorganisation wichtig ist“ ist zuerst in der Zeitschrift Deutsche Apotheker Zeitung, Ausgabe 36 /2017 erschienen.

Weiterführend:

Schöllgen, A. Schulz (2016).Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Emotionsarbeit. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

H. Rosen (2016). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Handlungs- und Entscheidungsspielraum, Aufgabenvariabilität. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Rigotti (2016). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Störungen und Unterbrechungen. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Bradtke, M. Melzer, L. Röllmann, U. Rösler (2016) Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Tätigkeitsspielraum in der Arbeit. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin