Vertrauen ist etwas Unsichtbares und Unausgesprochenes. Es ist ein Gefühl, das uns in zwischenmenschlichen Beziehungen begleitet. Wir vertrauen darauf, dass man uns nicht mit gespielter Freundlichkeit einfach nur so „um den Finger wickelt“. Wir hoffen, dass der freundliche Mensch genauso ehrlich mit uns meint, wie wir es mit ihm tun. Wenn wir jemanden unser Vertrauen schenken, verlassen wir uns darauf, dass wir von ihm nicht unfair behandelt oder zum seinen eigenem Vorteil manipuliert werden. Ein Vertrauensbruch ist eine Art Bruchlandung: Man steht vor einem Trümmerhaufen und braucht Zeit, um mental aufzuräumen.
Vertrauende Menschen sind glücklicher
Menschen, die anderen schnell vertrauen, werden auch häufig mit Vertrauen beschenkt. Unser Verhaltensstil ruft häufig bei der anderen Person genau diesen Verhaltensstil hervor, der unseren Erwartungen entspricht. Zeigen wir uns misstrauisch, so wird sich das Gegenüber uns gegenüber ebenfalls misstrauisch zeigen. Der Vertrauensforscher, Professor Dr. Julian Rotter*, fand vor vielen Jahren heraus, dass vertrauende Menschen anderen häufig eine zweite Chance geben, weniger lügen, die Rechte anderer respektieren. Sie sind darüber hinaus positiv eingestellt, offen, glücklich und werden stärker gemocht, als Menschen, die dauernd anderen misstrauen und Mauer um sich bauen. Ebenfalls fand er in seinen Arbeiten heraus, dass vertrauende Menschen nicht leichtgläubiger sind als Skeptiker oder solche, die grundsätzlich niemanden (mehr) trauen.
Vertrauen entstresst
Vertrauen ist die Grundlage, damit unsere Welt funktionieren kann: Während wir auf der Überholspur mit 160 km/h fahren, vertrauen wir darauf, dass sich andere Autofahrer an die Regeln halten und nicht plötzlich die Spur wechseln. Wenn unsere Kinder erwachsen werden, lassen wir sie ruhigen Gewissens flügge werden und vertrauen darauf, dass sie den richtigen Weg für sich finden werden.
Wir können nicht alles selbst machen, überprüfen, bewachen, korrigieren und selbst können, wir müssen uns auf andere verlassen und ihnen vertrauen.
Das ist Vertrauen: Sich auf jemanden verlassen, an seine Kompetenzen und Fähigkeiten glauben, die Kontrolle aufgeben und die Verantwortung abgeben – aus der Überzeugung und der Erfahrung heraus erwarten, dass alles gut wird. Ein dauerhaftes Misstrauen oder die ständige Sorge vor einer Enttäuschung stresst, raubt Energie und trübt die Freude an einer (privaten oder beruflichen) Beziehung.
Sympathie entscheidet
Wir können und sollten nicht jedem vertrauen: Weder der akademische Titel eines Menschen noch seine Erfolge oder sein vorhandenes Netzwerk gibt uns die Sicherheit, dass diese Person, unser vollstes Vertrauen verdient. Die Vertrauenswürdigkeit eines Menschen können wir nicht an seiner Herkunft, seinem Wohlhaben oder seinem beruflichen Status ablesen. Es ist eine Mischung aus Persönlichkeit, Sympathie, Stärken, Schwächen und Kompetenzen einer Person, die uns dazu verleitet im positiven Sinne „schwach“ zu werden und einfach zu vertrauen. Hier verlassen wir uns auf unser „Bauchgefühl“ und dürfen nur hoffen, dass wir richtig liegen.
Selbstvertrauen stärkt
Sich selbst zu vertrauen, ist unsere große Ressource. Wir müssen die eigenen Stärken und Fähigkeiten kennen, um uns nicht verunsichern zu lassen. Wir müssen ebenfalls um unsere Schwächen wissen und sollten uns nicht überschätzen, damit wir anderen keine leeren Versprechungen machen und andere enttäuschen. Und wir brauchen das Selbstvertrauen auch dazu, um immer wieder neu aufzustehen und nicht daran zu zerbrechen, falls uns doch jemand wieder mal „hinters Licht“ geführt haben sollte.
*Rotter, J. B. (1980). Interpersonal trust, trustworthiness, and gullibility. American Psychologist, 35 (1), 1–7.
29. Dezember 2019

Mein Fachbeitrag in der Pharmazeutischen Zeitung:
„Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser“. Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 51/52- 2019, Seite 14-15.
Bildquelle: Tatiana Dikta